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Vom Chaos zur inneren Stille:
Demut und Mitgefühl als Weg
Wir treiben durch eine Welt, die uns mit einem Chor aus Stimmen überflutet: ein endloses Rauschen von Versprechen, zerbrechlich wie Glas, das zersplittert, sobald wir danach greifen. Das Problem der Moderne ist nicht nur die Fülle der Möglichkeiten, die uns locken und doch orientierungslos zurücklassen. Tiefer liegt der Verlust eines inneren Ankers, eines Sinns, der uns im Angesicht des Lebenssturms halten kann. Wir suchen verzweifelt nach dem Kern unseres Seins, doch je hastiger wir greifen, desto weiter entgleitet er uns. Warum? Weil wir verlernt haben, das Unsichtbare zu spüren – jenes lebendige Erleben, das in der Stille aufblüht, wenn die Welt verstummt und unser Herz zu uns spricht. Stattdessen wenden wir uns kalten Göttern zu: Algorithmen, die präzise Antworten liefern, aber keine Wärme, keine Tiefe, nur eine glatte Leere, die uns hungrig zurücklässt.
Welche Ordnung kann uns retten, bevor wir in der Flut der Moderne ertrinken? Keine von außen aufgezwungene, kein starres Gefüge aus Regeln oder Dogmen. Es ist eine Ordnung, die aus unserer tiefsten Natur erwächst – verwurzelt im Irdischen, strebend zum Transzendenten. Sie sieht unsere Zerbrechlichkeit nicht als Makel, sondern als Teil unseres Menschseins. Sie umarmt unsere Brüche und Widersprüche, bietet Wege, sie zu heilen und zu unserer Geschichte zu machen. Diese Ordnung ist kein starres Gebilde, sondern ein lebendiger Fluss, genährt durch Erleben, Innehalten und Hinhören auf das, was in uns und um uns ist.
Demut ist ihr erster Ton. Leise, doch klar spricht sie: Du bist ein Funke im weiten Kosmos, klein und doch Teil eines unermesslichen Ganzen. Demut lehrt uns, unsere Grenzen als Raum für Wachstum anzunehmen, nicht als Käfig. Sie öffnet den Blick für das, was größer ist – für die Welt, für ihr Geheimnis. Liebe ist der zweite Ton, ein Ruf, das Herz zu öffnen: für die Nahen, die Fremden, das Leid, das Licht, für Gott. Liebe ist die Brücke von der Einsamkeit zur Gemeinschaft. Anerkennung ist der dritte Ton, sanft und kraftvoll: Sieh dich, wie du bist, mit all deinen Rissen, und liebe das Unvollkommene. Anerkennung erlaubt uns, uns selbst und anderen ohne Urteil zu begegnen, in unserer Verletzlichkeit, in unserer Menschlichkeit.
Diese Prinzipien – Demut, Liebe, Anerkennung – klingen altmodisch, doch sie tragen ein Feuer, das nie erlischt. Keine abstrakten Ideale, sondern lebendige Kräfte, die uns erden und emporheben. Keine Regeln, die uns einschränken, sondern Lieder, die befreien. Sie formen eine Ordnung, die einlädt, uns selbst zu begegnen, unsere Sehnsüchte zu hören, unsere Wunden zu heilen.
Die Moderne blendet uns mit ihrem Glanz, doch sie verdunkelt das Wesentliche. Sie bietet Antworten, bevor wir unsere Fragen kennen, Scheinlösungen, die uns einsam und entfremdet zurücklassen. Die Ordnung, die wir brauchen, beginnt in der Stille – jener Stille, die wir fürchten, weil sie uns mit uns selbst konfrontiert. Doch in ihr liegt ein Geschenk: die Möglichkeit, zu spüren, wer wir sind, wenn der Lärm verstummt, und den Funken zu finden, der uns mit dem Ganzen verbindet.
Diese Ordnung lebt nicht in der Einsamkeit, sondern im Miteinander, wo unsere Stimmen sich finden, unsere Geschichten sich verweben. Sie fragt nicht, was in der Welt real ist – ihre Wahrheit liegt in der Erfahrung des Lebendigen. Sie schenkt uns die Augen, die Welt zu erkennen: in ihrer Schönheit, ihrer Zerbrechlichkeit, ihrer Essenz. Sie gibt uns einen Blick, der die Welt erträgt, weil wir in einem tieferen Sinn verwurzelt sind, der aus unserem Inneren erwächst.
Wie gehen wir diesen Weg? Mit einem Schritt ins Ungewisse, mit dem Mut, die Stille auszuhalten. Mit Fragen, die keine schnellen Antworten verlangen: Wer bin ich, wenn niemand zusieht? Was trägt mich, wenn alles fällt? Was verbindet uns jenseits der Oberfläche? Diese Ordnung hat kein Ziel, sie ist ein Tanz – Schritt für Schritt, im Rhythmus des Lebens. Wohin sie uns führt? Zu uns selbst, zu anderen, zur Welt, zum Licht.
Michael Gollmer
Nächste Aufstellungsgruppe:
Samstag, 14. Juni, ab 12.30 Uhr